Die Orgel der Auenkirche ist zwar eine der größten Orgeln Berlins, stellte sich aber bis 2022 in einem technisch verheerenden und klanglich äußerst disparaten Zustand dar. Die zahlreichen Umbauten und Erweiterungen, zu denen es in den 120 Jahren seit dem Bau der Orgel kam, hatten in Klang und Technik tiefe Spuren hinterlassen – leider nicht immer zum Vorteil der Orgel. Das ursprünglich spätromantische Klangbild war nur noch zu erahnen, in manchen Bereichen sogar gänzlich entstellt.
2015 begannen deshalb Überlegungen, wie die verschlissene Technik überarbeitet werden kann. Zudem stellte sich die grundsätzliche und eigentlich entscheidende Frage, wie mit dem gewachsenen Zustand der Orgel umgegangen werden soll. Eine hochrangig besetzte Expertenkommission hat sich seit 2017 eingehend mit all diesen Fragen und Problemen beschäftigt und in Zusammenarbeit mit dem Kantor der Auenkirche ein umfassendes Konzept zur denkmalgerechten Restaurierung erarbeitet.
Expertenkommission:
Oliver Horlitz
Orgelsachverständiger der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Prof. Dr. Michael G. Kaufmann
Musikwissenschaftler und bundesweit tätiger Orgelsachverständiger
Hans Reuschel
Orgelbaumeister, Planungsbüro für den Orgelbau
Die Leitidee: Mit der Restaurierung wird nicht ein bestimmter historischer Zustand der Auenorgel wiederhergestellt – welcher denn auch, was wäre "original"? Vielmehr orientiert sich die Restaurierung allgemein am Klangideal Mitte der 1920er Jahre. Spätere Zusätze, die sich bewährt haben, bleiben erhalten und werden klanglich so modifiziert, dass sie sich organisch in das wiedererstandene spätromantische Klangbild einfügen. In späteren Jahren verloren gegangene Register werden rekonstruiert. Außerdem erhält die Disposition eine behutsame Ergänzung im Stil jener Zeit: Sieben Register eines neuen Auxiliarwerks sollen klangliche Lücken schließen.
Die Technik wird im Zuge der Restaurierung entweder denkmalgerecht saniert oder aber durch neue, computergestützte Elektronik ergänzt. Die Auenorgel bekommt einen neuen Spieltisch, der optisch historischen Spieltischen entspricht, aber auch komplett neue Funktionen umfasst, die allen Anforderungen an eine Orgel des 21. Jahrhunderts gerecht werden.
Im Einzelnen standen folgende Arbeiten an:
Geplante Um- und Neubauten im Inneren der Auenorgel
© Hans-Jürgen Reuschel
Insgesamt definierten sechs Meilensteine den Projektverlauf, bis die Orgel wieder (und besser als je zuvor) funktionierte:
Demontage der kompletten Orgel – nur das Gehäuse bleibt stehen
März 2022
Zusammenbau der nun restaurierten Orgel in der Auenkirche
Februar 2023
Stimmung aller Pfeifen und Anpassung an die Raumakustik
bis Herbst 2023
Festgottesdienst am Reformationstag zur Wiedereinweihung
31. Oktober 2023
Überarbeitung aller Pfeifen und technischen Bauteile in der Orgelwerkstatt
2022 / 2023
Vergabeentscheidung durch den Gemeindekirchenrat
November 2020
Im Baublog lassen sich die einzelnen Arbeiten anhand zahlreicher Fotos detailliert verfolgen. Die Nummern der Meilensteine führen direkt zu den entsprechenden Tätigkeitsberichten. Für das Restaurierungsprojekt ist aber nicht zuletzt entscheidend, was zuvor geschah und das Ganze überhaupt erst möglich gemacht hat.
Nach einem umfangreichen Ausschreibungsverfahren für die Umsetzung dieser Arbeiten fiel die Wahl auf ein seit Jahrzehnten sehr erfolgreiches Orgelbauunternehmen: die Firma Rieger Orgelbau aus Vorarlberg (Österreich). Rieger ist weltweit tätig und kann eine lange Referenzliste herausragender Projekte vorweisen. So hat das Unternehmen 2015 ein außergewöhnliches Instrument in der Pariser Philharmonie neu geschaffen, außerdem 2017 in der Martinskirche Kassel. Mit der Domorgel im Seitenschiff (1991), der fahrbaren Haydn-Orgel (2009) und der 2020 restaurierten Riesenorgel stammen auch alle drei Instrumente im Wiener Stephansdom aus dieser Werkstatt.
© Rieger Orgelbau
Im März 2022 hat Rieger mit den Arbeiten an der Auenorgel begonnen und im Juni 2022 umfangreiche Skizzen für die Innenarchitektur der neuen alten Auenorgel vorgelegt. Angesichts des sehr beengten Platzes war es keine leichte Aufgabe, alles sachgerecht unterzubringen. Einige Punkte, die nun anders als zuvor gelöst werden, seien hier kurz aufgezeigt:
Das Gebläse wird künftig nicht mehr separat im Turmraum platziert sein, sondern unterhalb des Chorpodestes – selbstverständlich schallisoliert. Weil die Luft dort aus dem Kircheninneren stammt, strömt damit natürlich "vortemperierter" Wind in die Orgel. Das ist insbesondere im Winter für das Instrument und den Klang besser.
Alle Pfeifen des Pedals rücken insgesamt um 33 cm nach vorn. So entsteht an der Rückwand Platz, um die Posaune 32' aufzustellen. Diese und die Pfeifen vom Untersatz 32' gehören zu den längsten der Auenorgel; solche "dicken Brummer" sind schwer unterzubringen, ohne dass sie "im Weg" stehen.
Positiv und kleines Hauptwerk, links und rechts gleich hinter dem Prospekt platziert, werden räumlich deutlich höher angordnet als zuvor. Damit werden zum einen in der Ebene darunter die Anlagen zum Stimmen und zu Wartungszwecken leichter zugänglich. Zum anderen sind die beiden Schwellwerke künftig auch in feinen Nuancen besser zu hören, weil ihr Klang nun ungehindert in den Kirchenraum abstrahlt.
Die Gesamtkosten des Vorhabens belaufen sich auf etwa 1,4 Millionen Euro. Verschiedene Zuwendungsanträge dafür wurden größtenteils bewilligt. So fließen 450.000 Euro Bundesmittel im Rahmen eines Denkmalschutzprogrammes in das Projekt, außerdem 390.000 Euro der Lotto-Stiftung Berlin, 70.000 Euro der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie 49.000 Euro vom Landesdenkmalamt Berlin.
Die Evangelische Auenkirche selbst konnte in den vergangenen Jahren durch Spenden und zwei Erbschaften einen beträchtlichen Eigenanteil für die Restaurierung ansparen. Nun stehen noch etwa 100.000 Euro aus, die zunächst zwischenfinanziert werden und in den nächsten Monaten durch weitere Spenden, beispielsweise auch in Form von Pfeifenpatenschaften, abgelöst werden sollen.
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